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Montag, 26. Mai 2025
Arthrose verstehen und richtig behandeln
Warum Bewegung statt Schonung der Schlüssel ist
"Mein Hund sollte sich bei Arthrose besser schonen" – dieser weitverbreitete Irrtum führt leider oft zum Gegenteil des Gewünschten. Die degenerative Gelenkerkrankung, von der etwa 80% aller Hunde und 90% aller Katzen im höheren Alter betroffen sind, erfordert zwar angepasste, aber keinesfalls reduzierte Bewegung. Denn während die knorpeligen Gelenkflächen durch Verschleiß bereits geschädigt sind, bedarf es einer stabilen Muskulatur, um die betroffenen Gelenke optimal zu unterstützen und zu entlasten.
Zum Verständnis: Bei der Arthrose handelt es sich um eine fortschreitende Abnutzung des Gelenkknorpels, der normalerweise als Stoßdämpfer zwischen den knöchernen Strukturen dient. Ist dieser Puffer beeinträchtigt, reiben die Knochen aneinander, was zu Entzündungsreaktionen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt. Typische Symptome zeigen sich zunächst meist morgens oder nach Ruhephasen als Anlaufschmerz – der Vierbeiner steht mühsam auf, bewegt sich steif, wird aber nach einigen Schritten wieder geschmeidiger. In fortgeschrittenen Stadien können allerdings auch dauerhafte Lahmheiten und deutliche Bewegungsunlust auftreten.
Während die medikamentöse Therapie mit Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Substanzen oft im Vordergrund steht, wird das enorme Potenzial der Physiotherapie häufig unterschätzt. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass gezielte physiotherapeutische Maßnahmen die Gelenkfunktion verbessern, Schmerzen reduzieren und die Lebensqualität arthritischer Tiere erheblich steigern können. Bemerkenswert: Bei konsequenter physiotherapeutischer Betreuung lässt sich der Bedarf an Schmerzmitteln oft um 40-60% reduzieren – ein bedeutender Vorteil, da so auch die potenziellen Nebenwirkungen einer Langzeitmedikation minimiert werden.
In unserer Praxis setzen wir auf ein ganzheitliches Konzept, das die klassische Schulmedizin mit modernen physiotherapeutischen Ansätzen kombiniert. Den Anfang bildet stets eine gründliche orthopädische Untersuchung, um das genaue Ausmaß der Erkrankung zu bestimmen und individuelle Problemzonen zu identifizieren. Auf dieser Basis entwickeln wir einen maßgeschneiderten Therapieplan, der auf die spezifischen Bedürfnisse des jeweiligen Tieres zugeschnitten ist. Denn während ein übergewichtiger Labrador mit Hüftarthrose andere Maßnahmen benötigt als eine schlanke Perserkatze mit Ellbogenproblemen, gilt es bei beiden, die natürliche Bewegungsfreude wieder zu wecken und schmerzfrei zu gestalten.
Erstaunlich für viele Tierhalter: Auch Katzen, die oft als therapieresistente Individualisten gelten, sprechen hervorragend auf physiotherapeutische Behandlungen an – vorausgesetzt, diese werden mit Geduld, Einfühlungsvermögen und in einer stressfreien Umgebung durchgeführt. Die sanften Techniken der manuellen Therapie werden von den meisten felinen Patienten nicht nur toleriert, sondern nach wenigen Sitzungen regelrecht eingefordert, wenn sie die wohltuende Wirkung erst einmal kennengelernt haben.
Vielseitige Therapieansätze
So helfen wir Ihrem Vierbeiner zu mehr Beweglichkeit und Lebensfreude
Ein effektives physiotherapeutisches Programm bei Arthrose umfasst mehrere Säulen, die sich gegenseitig ergänzen. An erster Stelle steht häufig die Thermotherapie – meist in Form von Wärmeanwendungen, da Wärme die Durchblutung fördert, die Muskulatur entspannt und den Stoffwechsel im betroffenen Gebiet anregt. Warm-feuchte Kompressen, spezielle Wärmekissen oder Rotlichtlampen kommen dabei zum Einsatz. Bei akuten Entzündungsschüben kann allerdings auch kurzzeitig Kältetherapie sinnvoll sein, um die Schmerzintensität zu reduzieren.
Die manuelle Therapie bildet das Herzstück der Behandlung. Durch gezielte Handgriffe werden verspannte Muskeln gelockert, verkürzte Strukturen gedehnt und die Beweglichkeit eingeschränkter Gelenke verbessert. Besonders wirksam sind Massagetechniken, die nicht nur die oberflächliche Muskulatur, sondern auch tiefere Schichten erreichen. Die Triggerpunkttherapie – das gezielte Lösen schmerzhafter Verhärtungen in der Muskulatur – kann dabei wahre Wunder wirken. Viele Tiere, die anfangs noch zurückhaltend auf Berührungen reagieren, genießen nach wenigen Sitzungen die wohltuenden Handgriffe und entspannen sichtlich während der Behandlung.
Ergänzend zur manuellen Therapie setzen wir verschiedene physikalische Anwendungen ein. Die Ultraschalltherapie ermöglicht eine tiefe Erwärmung des Gewebes und fördert Heilungsprozesse auf zellulärer Ebene. Laser niedriger Intensität (Low-Level-Laser-Therapie) kann Schmerzen lindern und entzündliche Prozesse modulieren. Bei manchen Patienten kommt auch die Elektrostimulation zum Einsatz, um gezielt Muskelgruppen zu stärken, die durch schmerzbedingte Schonung bereits Defizite aufweisen.
Das aktive Training stellt einen unverzichtbaren Bestandteil jedes Arthrose-Managements dar. Hierbei geht es nicht um leistungsorientierte Übungen, sondern um kontrollierte, gelenkschonende Bewegungsabläufe, die die stabilisierende Muskulatur stärken und gleichzeitig die Gelenkbeweglichkeit verbessern. Balance-Übungen auf instabilen Unterlagen wie Physiobällen oder weichen Matten trainieren nicht nur die Muskulatur, sondern auch die Propriozeption – jenes Körpergefühl, das für koordinierte Bewegungen unerlässlich ist. Cavaletti-Stangen, durch die der Hund in langsamer, kontrollierter Gangart geführt wird, fördern das bewusste Anheben der Beine und verbessern das Gangbild.
Bei Wasserscheuen ist absolutes Highlight vieler Arthrosepatienten: die Hydrotherapie. Das Training im Wasser bietet den unschätzbaren Vorteil, dass durch den Auftrieb das Körpergewicht erheblich reduziert wird, während der Wasserwiderstand gleichzeitig für ein effektives Muskeltraining sorgt. Ob im speziellen Unterwasserlaufband oder beim kontrollierten Schwimmen – die gelenkschonende Bewegung im warmen Wasser entspannt nicht nur die Muskulatur, sondern hebt auch die Stimmung vieler schmerzgeplagter Vierbeiner merklich an.
Für den nachhaltigen Erfolg ist die Einbindung des Tierhalters unerlässlich. In unseren Therapiesitzungen zeigen wir Ihnen einfache, aber effektive Übungen und Massagetechniken, die Sie zuhause mit Ihrem Tier durchführen können. Diese regelmäßigen Heimanwendungen verstärken den Therapieeffekt deutlich und stärken zudem die Bindung zwischen Mensch und Tier. Viele Besitzer berichten, dass die gemeinsamen Übungseinheiten zu einem geschätzten Ritual geworden sind, auf das sich beide Seiten freuen.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Anpassung des Lebensumfelds. Rutschfeste Bodenbeläge, gut erreichbare Lieblingsplätze oder Rampen statt Treppen können den Alltag eines arthritischen Tieres erheblich erleichtern. Auch das Gewichtsmanagement spielt eine zentrale Rolle – jedes Kilogramm weniger bedeutet weniger Belastung für die geschädigten Gelenke. Unsere physiotherapeutische Beratung umfasst daher immer auch praktische Tipps zur tiergerechten Umgebungsgestaltung und bei Bedarf Ernährungsempfehlungen.