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Mittwoch, 19. März 2025
Wenn der beste Freund vergesslich wird
Anzeichen kognitiver Veränderungen
Was einst so selbstverständlich war – der direkte Weg zur Futterschüssel, das sofortige Erkennen vertrauter Personen oder das problemlose Einhalten der Stubenreinheit – kann im Alter plötzlich zur Herausforderung werden. Verliert Ihr treuer Begleiter die Orientierung in den eigenen vier Wänden? Steht er regungslos vor der falschen Seite der Tür? Oder weckt er Sie nachts mit rastlosem Umherwandern und ungewöhnlichem Vokalisieren? All diese Veränderungen könnten mehr sein als bloß harmlose Alterserscheinungen.
Das Canine Kognitive Dysfunktionssyndrom (CDS) – umgangssprachlich oft als Hundedemenz bezeichnet – weist erstaunliche Parallelen zur Alzheimer-Erkrankung beim Menschen auf. Ähnlich verhält es sich mit der Felinen Kognitiven Dysfunktion bei Katzen. In den Gehirnen betroffener Tiere finden sich vergleichbare pathologische Veränderungen: Ablagerungen von Beta-Amyloid-Plaques, Nervenzellverlust und Durchblutungsstörungen des Gehirns. Dadurch werden Informationsverarbeitung und Gedächtnisleistung zunehmend beeinträchtigt.
Damit Sie frühzeitig reagieren können, sollten Sie auf das DISHA-Akronym achten, das die Hauptsymptome zusammenfasst: Desorientation (Desorientierung), Interactions (veränderte soziale Interaktionen), Sleep-wake cycles (gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus), House soiling (Unsauberkeit) und Activity changes (Veränderungen im Aktivitätslevel). Besonders auffällig ist häufig der gestörte Nachtschlaf – aus dem einst durchschlafenden Tier wird plötzlich ein nächtlicher Wanderer, der ruhelos umherstreift oder durch Bellen, Winseln bzw. bei Katzen durch lautes Miauen auf sich aufmerksam macht.
Beunruhigend für viele Tierhalter: Die einstmals enge Bindung scheint zu bröckeln, wenn das Tier Familienmitglieder nicht mehr zuverlässig erkennt oder das Interesse an vormals geliebten Aktivitäten verliert. Manchmal treten auch Persönlichkeitsveränderungen auf – der einst geduldige Vierbeiner reagiert plötzlich gereizt oder ängstlich in alltäglichen Situationen. Besonders schmerzlich für viele Besitzer ist die schwindende Stubenreinheit, wenn das Tier die erlernten Regeln vergisst oder den Weg nach draußen nicht mehr findet.
Von entscheidender Bedeutung ist die Abgrenzung zu anderen altersbedingten Erkrankungen. Schmerzen durch Arthrose, Einschränkungen des Seh- oder Hörvermögens, Organerkrankungen wie Niereninsuffizienz oder Schilddrüsenfehlfunktionen können ähnliche Symptome hervorrufen. Daher steht am Anfang immer der gründliche Gesundheitscheck. Erst wenn körperliche Ursachen ausgeschlossen sind, kann die Diagnose "kognitive Dysfunktion" gestellt werden.
Therapieoptionen und Alltagshilfen
Das Leben mit einem demenzkranken Haustier erleichtern
Gute Nachrichten vorweg: Obwohl es keine Heilung für die kognitive Dysfunktion gibt, existieren zahlreiche Möglichkeiten, um den Fortschritt zu verlangsamen und die Lebensqualität erheblich zu verbessern. Ein multidimensionaler Ansatz verspricht dabei die besten Ergebnisse. Im Zentrum steht eine gehirnfreundliche Ernährung, angereichert mit Antioxidantien, die freie Radikale bekämpfen und den oxidativen Stress im alternden Gehirn reduzieren.
Wissenschaftliche Studien belegen die positive Wirkung bestimmter Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, Vitamin E und C, L-Carnitin sowie pflanzlicher Extrakte wie Ginkgo biloba. Spezielles Futter für ältere Tiere enthält häufig bereits optimierte Nährstoffprofile – fragen Sie in unserer Praxis nach individuellen Ernährungsempfehlungen für Ihren Vierbeiner.
In der Humanmedizin längst etabliert, hat sich auch in der Tiermedizin gezeigt: "Use it or lose it" – das Gehirn braucht regelmäßige Herausforderungen. Dementsprechend wichtig ist das kontinuierliche Training der grauen Zellen. Kurze, abwechslungsreiche Übungseinheiten mit positiver Verstärkung können Wunder wirken. Versteckspiele mit Leckerlis fördern das Riechvermögen und die Problemlösungsfähigkeit. Neue, einfache Tricks zu erlernen stimuliert neuronale Verbindungen. Interaktive Spielzeuge, aus denen Futter geholt werden muss, bieten willkommene geistige Anregung.
Auf medikamentöser Ebene kann der Wirkstoff Selegilin helfen, der als MAO-Hemmer den Abbau von Dopamin im Gehirn verlangsamt und so zur Verbesserung der kognitiven Funktion beiträgt. In manchen Fällen kommen auch Anxiolytika zum Einsatz, um übermäßige Angstzustände zu lindern. Jede medikamentöse Therapie muss jedoch individuell angepasst und regelmäßig überprüft werden.
Die Anpassung der Lebensumgebung spielt eine ebenso wichtige Rolle. Klare Strukturen und ein gleichbleibender Tagesablauf geben Sicherheit. Näpfe, Schlafplatz und Katzentoilette sollten leicht zugänglich und stets am gleichen Ort sein. Bei Seheinschränkungen helfen Duftmarkierungen zur Orientierung. Um nächtliche Unsicherheiten zu reduzieren, bewähren sich Nachtlichter an strategischen Punkten. Falls Treppen zum Problem werden, können Babygitter gefährliche Stürze verhindern.
Für Hunde mit Unsauberkeit aufgrund von Vergesslichkeit können häufigere Gassi-Runden sowie Hundepads für Notfälle hilfreich sein. Bei Katzen empfiehlt sich das Aufstellen mehrerer, gut erreichbarer Katzentoiletten. Wichtig dabei: Nie mit Strafen reagieren, denn das Tier handelt nicht aus Boshaftigkeit, sondern aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen.
Bei alledem darf der emotionale Aspekt nicht vergessen werden. Trotz schwindender geistiger Fähigkeiten bleibt die emotionale Welt unserer tierischen Senioren oft erstaunlich intakt. Sanfte Berührungen, beruhigende Worte und ungeteilte Aufmerksamkeit werden nach wie vor geschätzt. Die Pflege eines demenzkranken Tieres erfordert zweifellos Geduld und Verständnis, doch die bedingungslose Liebe, die uns unsere Vierbeiner ein Leben lang geschenkt haben, verdient diesen Einsatz in ihren goldenen Jahren.