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Mittwoch, 12. März 2025
Scheinträchtigkeit verstehen
Wenn der Hundekörper eine Schwangerschaft simuliert
Die Scheinträchtigkeit bei Hündinnen, auch Pseudogravidität genannt, ist ein faszinierendes biologisches Phänomen, das viele Hundebesitzer vor Rätsel stellt. Unsere langjährige Erfahrung in der gynäkologischen Betreuung von Hunden zeigt, dass bis zu 80% aller unkastrierten Hündinnen mindestens einmal in ihrem Leben Anzeichen einer Scheinträchtigkeit zeigen. Dr. Birgit Schepp Schöne erklärt: "Die Scheinträchtigkeit ist aus evolutionsbiologischer Sicht ein Überbleibsel aus der Zeit, als Hunde noch in Rudeln lebten. Sie ermöglichte auch nicht-trächtigen Hündinnen, bei der Aufzucht der Welpen zu helfen und diese bei Bedarf mit zu säugen."
Aus hormoneller Sicht ist die Pseudogravidität beim Hund ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Hormone. Nach der Läufigkeit bildet sich bei jeder Hündin, unabhängig davon, ob eine Befruchtung stattgefunden hat oder nicht, der sogenannte Gelbkörper (Corpus luteum) im Eierstock. Dieser produziert das Hormon Progesteron, das den Körper auf eine mögliche Trächtigkeit vorbereitet. Am Ende des Zyklus, wenn der Progesteronspiegel abfällt und gleichzeitig Prolaktin ansteigt, können die Symptome einer Scheinträchtigkeit auftreten.
Die Symptome der Scheinträchtigkeit entwickeln sich typischerweise etwa 6-8 Wochen nach der Läufigkeit. "Das Erscheinungsbild kann dabei von Hündin zu Hündin und von Zyklus zu Zyklus stark variieren", betont Dr. Theo Schöne. Zu den häufigsten Anzeichen zählen Verhaltensänderungen wie Unruhe, erhöhtes Nestbauverhalten und die Adoption von Ersatzobjekten wie Spielzeug oder Schuhen, die wie Welpen behandelt werden. Physische Symptome umfassen Anschwellen der Milchdrüsen, tatsächliche Milchproduktion, Appetitlosigkeit und manchmal sogar simulierte Wehen.
Besonders bemerkenswert ist, dass die hormonellen Veränderungen bei scheinträchtigen Hündinnen so ausgeprägt sein können, dass sie denen einer echten Trächtigkeit nahezu entsprechen. Dies kann für unvorbereitete Hundebesitzer verwirrend sein, insbesondere wenn die Hündin während ihrer Läufigkeit keinen Kontakt zu Rüden hatte. "Wir erleben immer wieder besorgte Anrufe von Hundebesitzern, die überzeugt sind, ihre Hündin müsse trotz fehlenden Rüdenkontakts trächtig sein", schmunzelt Dr. Lutz Schöne. "Eine einfache Ultraschalluntersuchung schafft hier schnell Klarheit."
Die Intensität der Scheinträchtigkeit kann von leichten, kaum bemerkbaren Symptomen bis hin zu stark ausgeprägten Anzeichen reichen, die das Wohlbefinden der Hündin deutlich beeinträchtigen. Interessanterweise neigen manche Hündinnen dazu, bei jedem Zyklus eine Scheinträchtigkeit zu entwickeln, während andere das Phänomen nie oder nur sehr mild zeigen. Aktuelle Forschungen deuten darauf hin, dass genetische Faktoren und Rasse eine Rolle spielen können – so scheinen beispielsweise Dackel, Beagles und verschiedene Terrier-Rassen häufiger zu ausgeprägten Scheinträchtigkeiten zu neigen.
Management und Behandlung
Die beste Unterstützung für Ihre scheinträchtige Hündin
Der Umgang mit einer scheinträchtigen Hündin erfordert Verständnis, Geduld und in manchen Fällen tierärztliche Unterstützung. Als Experten für reproduktionsmedizinische Probleme bei Hunden beraten wir Besitzer individuell, wie sie diese herausfordernde Phase am besten begleiten können.
Bei einer leichten Scheinträchtigkeit ist oft keine spezifische Behandlung der Pseudogravidität nötig. Die Symptome klingen in der Regel innerhalb von 2-3 Wochen von selbst ab. Dr. Birgit Schepp Schöne rät: "Wichtig ist, die Milchdrüsen nicht zu stimulieren, also nicht zu massieren oder auszustreichen. Dies würde die Milchproduktion nur anregen und die Symptome verstärken." Auch das Entfernen der "Ersatzwelpen" ist nicht empfehlenswert, da dies den Stress für die Hündin erhöhen kann. Lassen Sie die Objekte lieber bei ihr, bis das Interesse natürlicherweise nachlässt.
Bei einer ausgeprägten Scheinträchtigkeit mit starker Milchproduktion und deutlichem Leidensdruck gibt es verschiedene medikamentöse Optionen bei Scheinträchtigkeit. Diese reichen von natürlichen Heilmitteln wie homöopathischen Präparaten bis hin zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, die den Prolaktinspiegel senken. "Die Entscheidung für eine medikamentöse Therapie treffen wir immer individuell und nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und möglichen Nebenwirkungen", erklärt Dr. Theo Schöne.
Ein wichtiger Aspekt des Managements der Scheinträchtigkeit ist die Anpassung der täglichen Routine. Zusätzliche körperliche und mentale Aktivitäten können die Hündin ablenken und den Hormonspiegel auf natürliche Weise regulieren. Auch die Ernährung spielt eine Rolle: "Während einer Scheinträchtigkeit empfehlen wir eine leichte Reduzierung der Futterration und den Verzicht auf kalziumreiche Nahrungsmittel, da diese die Milchproduktion fördern könnten", rät Dr. Lutz Schöne.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Gesundheitsvorsorge bei scheinträchtigen Hündinnen. Die stark durchbluteten Milchdrüsen sollten regelmäßig auf Verhärtungen, übermäßige Wärme oder Schmerzhaftigkeit überprüft werden, da eine Mastitis (Milchdrüsenentzündung) auch bei scheinträchtigen Hündinnen auftreten kann. Kühle Umschläge mit Quark oder speziellen Kräuteressenzen können bei geschwollenen Milchleisten lindernd wirken.
Für Hündinnen, die wiederholt unter starken Scheinträchtigkeiten leiden, kann eine Kastration als langfristige Lösung in Betracht gezogen werden. Dies ist besonders dann zu empfehlen, wenn die Lebensqualität deutlich beeinträchtigt ist oder gesundheitliche Risiken bestehen. "Wiederholte Scheinträchtigkeiten mit starker Proliferation des Milchdrüsengewebes können das Risiko für Gesäugetumoren erhöhen", warnt Dr. Birgit Schepp Schöne. "Zudem steigt bei unkastrierten Hündinnen mit zunehmendem Alter das Risiko für Gebärmutterentzündungen (Pyometra), ein potenziell lebensbedrohlicher Zustand."
Die Entscheidung für oder gegen eine Kastration sollte jedoch wohlüberlegt sein und alle individuellen Faktoren berücksichtigen. In unserer Praxis nehmen wir uns Zeit für eine ausführliche Beratung, bei der wir Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen und gemeinsam mit Ihnen die beste Lösung für Ihre Hündin finden.